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Erster September, erste Stadt, erster Eindruck – unsere Sommerschule beginnt nachmittags am Fuß einer Statue von Iwan Franko, ukrainischer Schriftsteller und Namensgeber der Lwiwer Universität. „Die Ukraine und Ich“ lautet das Motto, unter dem wir hierhergekommen sind – am Ende des Tages bleibt ein Gefühl, dass „Die Ukraine und Wir“ doch eigentlich viel passender wäre.
Bei der Sommerschule geht es um zwei Dinge: Darum, die Ukraine kennenzulernen – was macht die ukrainische Kultur aus, was sind die aktuellen Probleme, was können wir von dem Land lernen? Es geht aber um noch viel mehr: Darum, dass wir uns als Gruppe gegenseitig bereichern und über das Thema Identität ins Gespräch kommen. Darum, Menschen aus anderen Ländern und Kontexten zu erleben und sich gegenseitig zu bereichern. Wie er das erreichen will, macht der Leiter der Sommerschule, Cedric Reichel, schnell klar: Mit Offenheit und Selbstreflexion. In einer offenen Runde sprechen wir darüber, weshalb wir hier sind und was wir von der Sommerschule erwarten. Dabei wird auch klar: Was wir aus den nächsten zwei Wochen mitnehmen, wird stark davon abhängen, was wir persönlich und als Gruppe aus dieser Chance machen. Lennart Banholzer Der einzige Tag der Sommerschule, der uns vor die Tore einer großen Stadt geführt hat, war gleich der Zweite. Mit Maria Kosblan, einer orts- und fachkundigen Reiseleitung, sind wir in einem Minibus ins 50 Kilometer entfernte Schowkwa gefahren, wobei unsere erste Station Krechiw war, ein Wallfahrtsort mit basilianischem Kloster. Da wir während der Sonntagsmesse ankamen, war der Klosterhof voller festlich gekleideter Menschen, die dem orthodoxen Gottesdienst lauschten oder zur Beichte anstanden. Eine kleine Wanderung durch den unter Naturschutz stehenden Wald brachte uns zu einer heilenden Quelle unter einer goldenen Kuppel und Felshöhlen, die die Keimzelle des genannten Klosters bilden.
Zurück in Schowkwa war die erste Aufgabe etwas zu essen zu finden, das Städtchen war allerdings nicht auf unseren Massenansturm eingestellt, so dauerte es ein wenig bis wir die Stadtführung satt und zufrieden fortsetzen konnten. Die Planstadt wartete mit einem riesigen Marktplatz auf, um den die historische Bausubstanz mit zugehörigem Renaissanceschloss gut erhalten, nur noch nicht so gut restauriert war. Die Laurenzikathedrale mit ihrem reich dekorierten Renaissanceportal war der Ort um über die polnische Vergangenheit der Stadt zu sprechen. Ein besonderes Highlight war die Jugendstilkirche mit ihrer opulenten Innenraumausmalung. Eine ukrainische Braut wird allerdings 20 Sommerschüler auf ihrem Hochzeitsvideo finden. Schlussendlich hatte die Stadt noch eine sich im Verfall befindliche enorme Synagoge aus der Renaissance zu bieten und eine zum UNESCO Weltkulturerbe zählende Holzkirche mit einer prächtigen geschnitzten Barockikonostase. Gemessen an ihrer historischen Bedeutung wünscht man der Stadt, dass sich der Zustand der Gebäude noch etwas verbessert und die touristische Infrastruktur ein wenig ausgebaut wird. Dann stellt Schowkwa ein umso reizvolleres und lohnenswertes Ziel für Ausflüge von Lwiw dar. Anna Gunzelmann Was für Vorteile wir in unserer heterogenen Gruppe haben, zeigte sich nach einem Vortrag zur Sprachenpolitik in der Ukraine. Die Sprache ist in der Ukraine zurzeit ein hochpolitisches Thema. Vor allem im Osten des Landes ist die Muttersprache vieler Menschen nicht Ukrainisch, sondern Russisch. Bis 2014 wurde das weniger als Problem gesehen – mittlerweile gibt es aber Stimmen, die Russisch als „die Sprache des Feindes“ bezeichnen. Lehrveranstaltungen an den Universitäten sollen nur noch auf Ukrainisch gehalten werden. Russische Literatur kann nicht mehr ohne weiteres eingeführt werden (siehe https://www.mdr.de/heute-im-osten/ostblogger/buechermarkt-kiew-100.html).
Es scheint als werde stark vereinfacht und das Verhalten des russischen Staates und die russische Sprache einfach gleichgesetzt. Wer für die Ukraine ist, kann nicht Russisch sprechen, scheint manch einer zu denken. So wirkte es in einem Vortrag einer ukrainischen Sprachwissenschaftlerin an der Iwan-Franko-Universität: Sie plädierte dafür, dass alle Kinder Ukrainisch lernen sollten und Amtsangelegenheiten nur noch auf Ukrainisch geregelt werden sollen. Bei Ukrainern, die in Städten und Gegenden leben, in denen vorrangig Russisch gesprochen wird, trifft das auf Unverständnis. Über ihren Vortrag und ihre Position haben wir in der Gruppe noch lange diskutiert. Dabei war es von großem Vorteil, dass wir nicht nur auf Grundlage einer (deutschen) Perspektive diskutieren konnten, sondern die ukrainischen Teilnehmer über ihre eigenen Erfahrungen und Wahrnehmungen bezüglich des Sprachenkonflikts in der Ukraine berichteten, die teils stark von der Wahrnehmung der Sprachwissenschaftlerin abwichen. Lennart Banholzer Der dritte Tag in Lwiw war in allen Sinnen unvergesslich. Wir machten einen literarischen Rundgang, der ganz anders war, als ich vorher gedacht hatte. Ich dachte nämlich, wir werden lediglich über Schriftsteller aus Lwiw reden. Stattdessen haben wir uns an einigen der schönsten Orte der Stadt gegenseitig Teile aus Werken von Lwiwer Schriftstellern vorgelesen und so die Plätze auf eine besondere Art und Weise erlebt. Dadurch konnten wir völlig in die Atmosphäre von Lwiw eintauchen. Unser Rundgang endete am Rathaus mit einer kurzen Textpassage von dem Schriftsteller Andrij Sodomon, in der er den Sonnenuntergang am Lwiwer Rathaus beschreibt. Der zu dem Gebäude gehörende Turm ist eines der höchsten Gebäude der Stadt. Wir nutzten die Gelegenheit, ihn gemeinsam zu besteigen. Oben angekommen, genossen wir die atemberaubende Aussicht auf die ganze Stadt und die am Rande liegenden Berge.
Es folgte ein Besuch in einem sehr speziellen Restaurant, dem Partisanenkeller am Rathausplatz. Der Keller hat sehr unterschiedliche Eindrücke hinterlassen, denn vorher wurde uns gesagt, man solle dort besser kein Russisch sprechen. Für mich als Muttersprachlerin war das eine Herausforderung und ich hatte Angst, ein russisches Wort zu sagen und dafür vertrieben zu werden. Aber das Essen und der Service waren dafür wunderbar: gespielte Musik, Vareniki… Deswegen war der Besuch und im Allgemeinen selbst der Tag, wie Cedric, der Leiter der Sommerschule, sagen würde, einfach Hammer! Darya Hulevich Am vierten Tag der Sommerschule dürfen wir am Vormittag zum letzten Mal die prachtvollen Räume der Iwano-Franko Universität in Lwiw betreten. Im Rahmen eines englischen Vortrages bringt uns der Dozent namens Leonard die Unterschiede zwischen der ukrainischen und russischen Sprache näher.
Der Vortrag wird mit einem Experiment eingeleitet. Gemeinsam übersetzten wir einfache englische Sätze in die zwei Sprachen und bewerten die Versionen anschließend auf ihre Ähnlichkeit. Darauffolgend zeigt Leonard auf eine spielerische Art und Weise die Unterschiede in den Alphabeten, z.B. die Buchstaben i und и; и und ы usw. Des Weiteren wird aus dem Vortrag deutlich, dass die unterschiedlichen Regionen bestimmte Wörter/Laute umgewandelt und/oder weiterentwickelt haben. Zusätzlich wurde die Sprache durch die Aus- und Zuwanderung verändert sowie beeinflusst. Letztendlich ist uns allen am Ende des Vortrages die Pointe klar: Weder die ukrainische noch die russische Sprache ist „Die Erste“ oder „Das Original“. Beide Sprachen haben sich aus der Alt-Ostslawischen Ursprungssprache im Zeitverlauf entwickelt. Ein sehr heikles Thema, wie wir erneut feststellen. Anna Tschirka Am vierten Tag der Sommerschule hat unsere Gruppe eine Führung durch das jüdische Lwiw bekommen. Die jüdische Gemeinde in Lwiw ist eine der ältesten jüdischen Gemeinden in der Ukraine. Sie hat ihre eigene besonderen Geschichte, die tief mit der Multikulturalität der Stadt verbunden ist. Während der Führung hat unsere Gruppe wichtige Geschichtsorte in Lwiw besucht, wie zum Beispiel den ehemaligen jüdischen Bezirk, die Staroevrejskajastraße und die Ivan-Födorov-Straße, sowie die Ruinen der Goldene-Rosen-Synagoge.
Besonders beeindruckend war der Besuch der Gedenkstätte „Raum der Synagogen“ im jüdischen Bezirk. Diese Gedenkstätte steht auf dem Ort, wo die drei im 2. Weltkrieg vernichteten Synagogen standen. Die Gedenkstätte wurde erst im September 2016 eröffnet. Auf dem Territorium von der Gedenkstätte gibt es Marmorplatten mit den Erinnerungen von den Menschen, die den 2. Weltkrieg in Lwiw erlebten. Die Führung endete in der Synagoge auf der Vuhilnastraße. Nach der Vernichtung der Juden in Lwiw wurde das Gebäude seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr als Synagoge genutzt. Zwischenzeitlich war es ein Fitnessstudio. Mittlerweile plant die jüdische Gemeinde, die Synagoge wiederherzurichten. In dem Gebäude trafen wir uns mit einem Ehrenamtlichen der jüdischen Gemeinde, Slava Afán. Von ihm hat unsere Gruppe einiges über die Tätigkeit der freiwilligen Organisation „Lviv Volunteer Center“ erfahren. Die Organisation beschäftigt sich mit der Pflege von jüdischen Gräbern in der Ukraine, mit der Restaurierung der Synagoge, mit der Hilfe für Kinder und alte Menschen u.a. Es begeistert sehr, wenn man sich mit solchen engagierten Leuten trifft. Wir bedanken uns für diesen beeindruckenden und wichtigen Tag in Lwiw! Alina Zhdanovich Voller Vorfreude und Tatendrang trafen wir uns an unserem ersten Tag in Charkiw nachmittags in der Nähe der Markthalle. Der Markt war ziemlich beeindruckend. Getreu dem sowjetischen Baustil mit den hohen Decken, wirkte die Halle unfassbar groß und viele Stände fanden ihren Platz darin. Eingeteilt in vier Gruppen mit eigenem Einkaufszettel, konnte das große Shoppen für den Kochabend beginnen. Viele Produkte, wie Smetana, Käse und Molke konnten wir bei der großen Anzahl an Händlern in der Markthalle frisch erwerben. Unsere Küche befand sich ebenfalls in der Markthalle, auf dem Innenbalkon – und was für eine Küche! Durch die Glasfront der Halle fällt viel Licht in den offen gestalteten Raum, welches fast malerisch durch die Arbeitsplatte aus Edelstahl reflektiert wurde.
Unter professioneller Anleitung der ukrainischen Teilnehmenden bereiteten wir die verschiedenen Rezepte zu. Als Vorspeise wurde eine kalte Suppe „O Kroska“ gereicht. Zum Hauptgang wählte man zwischen dreierlei Vareniki, sowie Kartoffelbrei, Kottelet und angebratenem Sauerkraut aus. Zum Dessert ließen sich alle „Dranyky“ (kleine Pfannküchlein) mit selbstgemachter Aprikosenmarmelade von Gleb oder Milchmädchen schmecken. Die Wein- sowie Saftkarte ließ ebenfalls viel Auswahl zu. Der gemeinsame Kochabend hat allen Teilnehmenden sehr viel Freude bereitet, was sich in den teils emotionalen Toasts vor und während des Essens wiederspiegelte. Ein Prosit auf den sehr gelungenen Abend! Anna Frieling Nach vier Tagen intensiver Auseinandersetzung mit der ukrainischen Identität in Lwiw – linguistisch, sprachpolitisch, geschichtlich – bot der erste Seminartag in Charkiw eine gute Gelegenheit für Selbstreflexion und Überlegungen über die eigene Identität. Das Thema Identität durch Kultur wurde dabei in zwei Teilen bearbeitet: Der erste Teil fand im Deutschen Zentrum statt und war dem Zusammenhang zwischen Heimat und Migration gewidmet. Hier verfolgten wir beispielsweise mithilfe von Positionierungen im Raum geographisch die Wege, die wir alle bisher in unserem Leben schon zurückgelegt haben. Eine besonders intensive Übung war auch die Postkartenrunde. Jede/r hatte eine Postkarte seiner “Heimat” mitgebracht und teilte in teilweise emotionalen Worten den anderen mit, was zu sehen ist und warum er oder sie genau diese Postkarte ausgewählt hat. Viele unterschiedliche Ansichten, Geschichten und Orte spiegelten die Heterogenität unserer Gruppe wider.
Für den zweiten Teil begaben wir uns in den schönen Gorki Park, wo wir uns weitere Gedanken zur Frage „Wer bin ich?“ gemacht haben – erst in kleineren Gruppen und danach zu zweit in der niedlichen Charkiwer Seilbahn. Zuerst befassten wir uns mit unserem Alltag und evaluierten, was wir mit unserer verfügbaren Zeit anstellen und was wir gerne tun würden. Spannend war es innerhalb unserer bunt gemischten Gruppe, Gemeinsamkeiten und Unterschiede festzustellen. Bei einer Partnerübung in der Seilbahn lasen wir unserem Gegenüber eine Art Gedicht über Eindrücke aus unserer Kindheit und Familie vor, welches wir zuvor mithilfe eines Lückentexts verfasst hatten. Alles in allem war das ein Tag voller Reflexion und Emotionen aber auch Spaß, der auch durchsetzt war von einigen Übungen, die die Gruppendynamik stärkten. Agnieszka Bień Bei einem Besuch der Gruppe im Charkiwer Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) wurde die Arbeit der Stiftung in der Ukraine vorgestellt, sowie die aktuelle politische Lage in dem Land diskutiert. Büroleiter Tim Peters stellte die Leitprinzipien der KAS vor – Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität – und berichtete von Projekten der CDU-nahen politischen Stiftung aus Deutschland. Dazu gehören Roundtables, Konferenzen und Trainings, sowie Workshops. Außerdem stellte Peters Förderprogramme der Stiftung für Studierende vor.
Nach dem Vortrag von Peters stellte die Gruppe Fragen zur aktuellen politischen Situation in der Ukraine. Dabei ging es um die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen, um den Krieg im Donbass und um Korruption. Auch die Frage nach einem Eintritt der Ukraine in die Europäische Union war ein Thema. Dadurch war eine Diskussionsgrundlage gegeben für weitere Gespräche während des anschließenden Abendempfangs der KAS. Mariia Puhach An diesem Tag bekamen wir von der Stadtführerin Anna Kolomiytseva eine interessante Führung durch Charkiw, in der wir den Blick besonders auf die Geschichte der Universität in Charkiw richteten. Zu Beginn erhielten wir einen kleinen Überblick über die Entstehung der Stadt. Der Teil der Ukraine, in welchem sich Charkiw befindet, wird auch Sloboda-Ukraine genannt, was so viel wie freier Geist bedeutet. Deshalb lag es nahe, dass in Charkiw eine Universität entstehen sollte. Auf Initiative von Wassili Nasarowitsch Karasin, der einen Brief an den russischen Zaren schrieb, wurde sie 1805 eröffnet. Aufgrund von Professorenmangel, wurde unter anderem Personal aus Deutschland eingestellt. Bei der Auswahl der Professoren half auch Johann Wolfgang von Goethe. Bis heute ist die Stadt sehr studentenorientiert, was Cafés und Bars angeht. Es gibt etwa 40 staatliche, sowie 40 private Universitäten im heutigen Charkiw. Seit dem 2. Weltkrieg hat die Universität ein markantes Hauptgebäude am Svobody Ploschad.
Ein weiterer interessanter Ort bei der Stadtführung durch Charkiw, war eine Wand, welche es in den vergangenen Tagen in die Stadtnachrichten schaffte. An ihr hatte der „Charkiwer Banksy“ Gamlet ein Graffito gemalt – seine Werke sind in der ganzen Innenstadt zu finden. Den Bewohnern des gegenüberliegenden Hauses schien das Graffito leider nicht zu gefallen, sie übermalten die Wand grau. In dem Zustand blieb sie aber nicht lange. Straßenkünstler begannen, die Wand jeden Tag aufs Neue mit verschiedenen Zeichnungen und Schimpfwörtern zu „verschönern“. Als wir während unserer Führung morgens an der Wand vorbeikamen, konnten wir die Graffitis noch sehen. Als wir aber am Nachmittag wieder an der Stelle vorbeikamen, war die Wand bereits wieder komplett grau übermalt. Valentina Lermer An unserem vierten Tag in Charkiw waren wir nachmittags im „Nürnberger Haus“ in Charkiw eingeladen. Nürnberg ist eine Partnerstadt Charkiws. Unser Besuch passte zum Motto des Tages: „Urbane Identität“. Das Nürnberger Haus ist ein akkreditierter Partner des Goethe-Instituts und wird unter anderem vom Auswärtigen Amt finanziert. Uns wurde ein Film über die deutsche Minderheit in Charkiw bzw. der Ukraine gezeigt und wie diese ihr Leben in dem Land gestaltet. Außerdem haben wir etwas über die Geschichte der Städtepartnerschaft Nürnbergs und Charkiws gelernt. Danach wurden wir in mehrere Gruppen aufgeteilt und sollten bei einer Rallye Charkiw nochmal genauer kennenlernen: Das bedeutete viel Laufen, viele Fragen an verschiedenen Stationen, aber danach kannten wir uns wirklich aus und hatten etwas über das „deutsche“ Charkiw gelernt
Erika Balzer Am Sonntagvormittag holten uns am Opernplatz Studenten aus Charkiw ab, die auch sehr gut Deutsch sprachen. In Kleingruppen konnten wird den verregneten Tag in einer ukrainischen Familie verbringen. Die Studentin, die mich und zwei andere Sommerschülerinnen mit nach Hause nahm, hieß Alina. Wir fuhren ein paar Stationen mit der Metro bis wir bei ihr in der urgemütlichen Wohnung ankamen, in der sie mit ihren Großeltern und ihrer Mutter lebt. Dort dampfte schon der Borsch, häuften sich die Wareniki und bog sich der Tisch unter der Last von Salaten, Kompott und anderen Leckereien. Gelegentlich ging die Tür auf, Alinas Mama kam herein und ermahnte uns kräftig zuzulangen. Nach dem Essen schauten wir einen alten sowjetischen Märchenfilm aus dem Jahr 1962. Alina erklärte uns parallel voller Begeisterung von den alten ukrainischen Bräuchen, Volksglauben, Traditionen und Kleidung, die darin gezeigt werden.
Wir hatten aus unserer Heimat kleine Gastgeschenke dabei, über die sich die Familie sehr freute. Um ein wenig der Müdigkeit zu entrinnen, die sich in Alinas heimeliger Wohnung einstellte, machten wir uns auf den Weg zurück ins Zentrum. Alina zeigte uns ihre Stadt, die Plätze, die sie besonders gerne hat oder die ihr wichtig sind. Lange fesselten uns eine große Tanzgruppe auf dem Unabhängigkeitsplatz und die Straßenkunst von Gamlet. Zudem vertieften uns in eine Diskussion mit einem Banduraspieler. Im orthodoxen Kloster lud uns Alina ein, nach Honig duftende Kerzen anzuzünden, eine Ikone zu küssen und die luftigen, mit Früchten gefüllten Hefebrötchen zu probieren, die dort gebacken werden. Während des Spaziergangs und im Café hatten wir Zeit und Ruhe um über Charkiw, das Leben und die Liebe, Studium und Jobs, Familie und Heimat zu philosophieren. Und so ist es uns allen am Abend relativ schwer gefallen uns zu verabschieden. Ein Tag, den ich nicht so schnell vergessen werde und den ich ohne die Sommerschule nie erlebt hätte, ging zu Ende. Anna Gunzelmann Unsere zweite Woche in der Ukraine startete mit einem Tag zum Thema Gender. Wir trafen uns in der ältesten Bibliothek Charkiws, der Korolenko-Bibliothek. In einem Theatersaal erwartete uns DAAD-Lektorin Vera Tersteegen mit einem interaktiven Workshop. Dabei haben wir zuerst über die persönliche Bedeutung des Begriffs Gender diskutiert, anschließend haben wir uns in länderspezifische Gruppen geteilt und gemeinsam über typische Stereotype zu Frauen und Männern nachgedacht.
Anschließend ging es um genderspezifische Vorurteile. Wir haben ein "Wer-bin-ich"- ähnliches Spiel gespielt, bei dem die Teilnehmer ähnlich wie im Spiel Scharade einen beschrifteten Zettel auf die Stirn geklebt bekommen, dessen Inhalt sie nicht kennen. Ziel ist es, zu erraten, was draufsteht. Anders als bei „Wer bin ich“ hatten wir aber keine Prominenten, sondern stereotypische Eigenschaften auf der Stirn stehen, wie etwa „Ich bin hier die attraktivste Frau“, „Ich kann nicht mit Zahlen umgehen“, „Ich bin ein Macho“. Die Teilnehmer mussten sich gegenüber den anderen entsprechend ihrer Eigenschaft verhalten. Das Spiel war sehr erhellend, vor allem in Bezug auf die Frage, wie es sich anfühlt, wenn sich das gesamte zwischenmenschliche Verhalten auf eine (negative) Eigenschaft fokussiert. Am Nachmittag besuchten wir ein Gendermuseum. Das Wort Museum ist hier allerdings ein wenig irreführend – in der interessanten Ausstellung geht es nicht nur um das Präsentieren von Geschichte und Wissenschaft, sondern vor allem auch um eine klare Positionierung demgegenüber. Vor Ort haben wir eine sehr interessante Sichtweise über die Rolle der Frau in der Ukraine und auch weltweit erhalten. Am Abend haben wir in einer entspannten Atmosphäre den ukrainischen Film Kiborgy angesehen, in dem es um die Verteidigung des Donetzker Flughafens ging. Dieser Film hat die meisten von uns extrem stark berührt, sodass wir eher auf die anschließende Diskussion verzichtet haben und stillschweigend nach Hause gegangen sind, um über dieses Thema nachzudenken. Shari Navakumar Nachdem wir unsere Koffer gepackt und aus dem Hostel ausgecheckt hatten, machten wir uns auf den Weg zur Geschichtswerkstatt Tschernobyl. Dort werden Zeitzeugenberichte von Liquidatoren aus der Ukraine und Belarus gesammelt und dokumentiert. Als Liquidatoren werden die Menschen bezeichnet, die nach der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl im April 1986 eingesetzt wurden, um die Folgen des Unglücks einzudämmen und die radioaktive Strahlung möglichst gering zu halten.
Empfangen wurden wir von Igor Postelga, einem der Liquidatoren, der im August 1986 dabei half, die Folgen der Katastrophe möglichst gering zu halten. Er erzählte uns von seinen Eindrücken und Erlebnissen, die er während der Arbeit in der Sperrzone gemacht hatte. Besonders in Erinnerung geblieben, waren ihm die Haustiere, die von ihren BesitzerInnen zurückgelassen worden waren und um Nahrung bettelten. Er fütterte sie damals mit etwas Brot, um ihr Leben zu verlängern. Er beschrieb Obstbäume voller Früchte, die nicht geerntet werden konnten, weil keine BewohnerInnen mehr im Dorf lebten, die diese Arbeit hätten verrichten können. Abgesehen davon hätte das Obst aufgrund der Verstrahlung nicht mehr gegessen werden können. Außerdem hatten wir die Gelegenheit, selbst Fragen zu stellen und somit zu erfahren, was Postelga von Atomenergie und dem Katastrophentourismus hält. Aufgrund der gesundheitlichen Risiken lehne er beides ab, antwortete er. Viele der Liquidatoren leiden an gesundheitlichen Problemen, die Folge ihres Einsatzes in der Sperrzone sind. Im Anschluss an das Gespräch sahen wir uns die Ausstellung an und lasen einige kurze Berichte der Liquidatoren durch, genau wie Hintergrundinformationen über das Unglück von Tschernobyl. Alles in allem war der Besuch in der Geschichtswerkstatt Tschernobyl sehr interessant und wurde positiv aufgenommen. Auch wenn man sich vorher schon mit dem Thema auseinandergesetzt hatte, ist es eine ganz andere Erfahrung, direkt mit einem Zeitzeugen zu sprechen. Elisabeth Kluth An unserem letzten Tag in Charkiw bekamen wir die Aufgabe, uns auf kreative Weise von der Stadt zu verabschieden und dort unsere Spuren zu hinterlassen. Wir bildeten drei Gruppen, die dies auf sehr unterschiedliche Weise taten. Unter dem Motto "Charkiw Smile' wurden zum Beispiel Passanten mit unzufriedenem Gesichtsausdruck auf der Straße angesprochen und zu einem Foto überredet, auf dem sie lächeln. Eine andere Gruppe führte soziale Experimente durch, um die Ehrlichkeit der Charkiwer zu testen. Die Tests reichten von absichtlich verlorenen Gegenständen, bis Übersetzungen für Touristen.
Die dritte Gruppe animierte vor der Charkiwer Oper Passanten an der Kunstaktion "Chalk in Charkiw" teilzunehmen. Mit einer großen Portion Straßenmalkreide verschönerten die Teilnehmer den Platz vor dem Gebäude mit bunten Botschaften und Bildern. Unter dem Motto 'be part of your city' wurden dann Passanten animiert, selbst etwas beizutragen. Nach anfänglicher Skepsis waren viele dabei und auf dem Platz vor der Oper vermischten sich unsere Spuren mit denen der Einheimischen. Auch eine Putzfrau, welche die Aktion erst misstrauisch beäugte – „Ich muss das später wegmachen“ – griff schließlich zur Malkreide. Vor der Abreise nach Kiew, besuchten wir am Abend noch ein Theaterstück, welches ganz ohne Sprache auskam. Drei Männer "erzählten" eine Geschichte durch Bewegungen, Mimik, Gestik und Geräusche. Die Handlung lässt sich wie folgt zusammenfassen: Jemand findet eine Tasche im Müll. Diese ist wohl Diebesgut und so werden Detektive bzw. Agenten engagiert. Ein stetiges hin und her entsteht. Am Ende stirbt jemand. Dadurch, dass verschiede Rollen in dem Stück von denselben Personen besetzt wurden, kam etwas Verwirrung auf. Auch wenn es an manchen Stellen schwierig war, den roten Faden nicht zu verlieren, war es dennoch sehr unterhaltsam und gut umgesetzt. Maximilian Pawelzik Sechs Uhr morgens – Ankunft am Bahnsteig im Kiewer Hauptbahnhof. Wir sind ein bisschen müde nach der Fahrt, aber trotzdem froh, in der ukrainischen Hauptstadt angekommen zu sein. Dann fahren wir mit der U-Bahn zur Chretschatik, der Kiewer Hauptstraße. Obwohl es noch ziemlich früh ist, sind die U-Bahn-Wagen schon ziemlich voll. Zehn Minuten dauert die Fahrt mit den Koffern im Gedränge, dann geht die Gruppe durch das leere Stadtzentrum, über den Maidan zu den neuen Unterkünften. Bis 18 Uhr haben alle Freizeit und erholen sich vom Nachtzug, oder nutzen die erste Möglichkeit, die neue Stadt zu entdecken.
Abends um sechs trifft sich die Gruppe an der Metrostation Hydropark, die sich auf einer Insel mitten im Dnjepr befindet. Heute steht mit dem „Sound of Heimat“-Abend ein Liederabend auf dem Programm. Das Lokal “Skvorechnik“, ein veganes und alkoholfreies Café, ist perfekt dafür geeignet. Hier herrscht eine gemütliche und gleichzeitig ungewöhnliche Atmosphäre: Statt Tischen liegen bunte Teppiche auf dem Boden, statt Stühlen gibt es Heuballen, statt einer Küche und einer Bar ein großes Zelt. Ein Paar Hütten und Terrassen sind auf Bäume gebaut und meditierende Menschen sitzen in einer geräumigen Laube. Endlich sind alle bereit, ihre Lieder vorzustellen. Jeder sollte etwas aus seiner Heimat mitbringen. Angesichts der Internationalität unseres Teams erklingen vielfältige Lieder, verschiedene Genres und mehr als sechs Sprachen aus dem Lautsprecher. Jeder hat etwas mitgebracht, das ihr/ihm etwas bedeutet. Hinter jedem Lied steckt eine Geschichte, die für jemanden von Bedeutung ist und besondere Gefühle erweckt. Das sind unvergessliche Emotionen, einzigartige Erlebnisse, Erinnerungen aus der Kindheit, einfach gute moderne Musik und vor allem Lieder, die für manche Heimat symbolisieren. Die Lieder enthalten unterschiedliche Identitätsfaktoren, wie z. B. Sprache, Musik, Poesie und Kultur. Wir tauschen solche Dinge miteinander aus – das macht den Zauber unserer Sommerschule aus. Jeden Tag lernt man so eine Person von einer anderen Seite kennen. Die Teilnehmer reden aufrichtig über persönliche Sachen. Das schafft ein lockeres Ambiente in unserer Gruppe, denn so werden wir offener und verständlicher für einander. Hlib Ovcharenko In Kiew besuchten wir mit dem Ukraine Crisis Media Center (UCMC) eine Einrichtung, die uns zu vielen kritischen Fragen verleitete. Das UCMC wurde 2014 während der Proteste auf dem Majdan eingerichtet, um ausländischen Journalisten bei der Berichterstattung zu unterstützen. Als sie das Center schafften, seien die Gründer davonausgegangen, diese Arbeit nur ein paar Wochen lang zu machen. Mittlerweile gibt es die Institution seit vier Jahren – ihre Mitarbeiter halfen bei der Einrichtung von Presseabteilungen in ukrainischen Ministerien und beobachten russische Medien bezüglich Propaganda-Äußerungen gegenüber der Ukraine und westlichen Staaten.
Zu den finanziellen Unterstützern gehören die NATO und das deutsche Auswärtige Amt. Gleichzeitig bezeichnet sich das UCMC als unabhängige Institution. Verschiedene Videos, die uns während des Besuchs gezeigt wurden, hatten jedoch eine klare Botschaft: So gab es zum Beispiel einen Zusammenschnitt von Aussagen, die im russischen Fernsehen über Deutschland und die EU getroffen wurden – dabei waren viel unhaltbare Aussagen, bei denen man nicht wusste, ob man lachen oder weinen soll. Gleichzeitig wurde das Video mit dramatischer Musik unterlegt und hatte eine klare emotionale Botschaft: Russland lügt. Auch wenn es wichtig ist, über russische Propaganda aufzuklären, wirkten die gezeigten Videos vereinfachend. Es wirkte, als wenn ich das UCMC klar an der Seite der ukrainischen Regierung positioniert. Das ist legitim, wenngleich sich die Frage stellt, inwieweit die Selbstbezeichnung als unabhängige Organisation dann noch zutreffend ist. Unser Besuch beim UCMC war sehr wertvoll. Wir lernten einen interessanten Akteur kennen, dessen Arbeit sicherlich sehr wichtig und professionell ist. Gleichzeitig zeigte sich auch hier wieder ein Denken in schwarz und weiß, welches für die heutige Ukraine typisch erscheint. Lennart Banholzer Der Majdan ist so etwas wie das Herz von Kiew. Wenn heute in deutschen Medien von „dem Majdan“ gesprochen oder geschrieben wird, dann geht es meistens um den Umsturz in der Ukraine im Winter 2013/2014. Auf dem Majdan gab es damals Massenproteste, nachdem der damalige ukrainische Präsident Wiktor Janukowytsch ein mit der Europäischen Union ausgehandeltes Assoziierungsabkommen doch nicht unterschreiben wollte. Die Lage in Kiew eskalierte – im Februar 2014 wurden mehr als 80 Menschen von Scharfschützen erschossen, Janukowytsch floh aus der Ukraine. Wer heute den Majdan besucht, erlebt auch einen Ort der Trauer.
Dass der Majdan auch vorher bereits Austragungsort wichtiger Umbrüche in der Ukraine war, erklärte der Journalist Denis Trubetskoy bei einem Vortrag über Kiew als Revolutionsstadt. Dabei ging es neben dem Umbruch 2014 um die sogenannte orangene Revolution 2004 und um den Zusammenbruch der Sowjetunion 1990. Der Journalist, der unter anderem für den MDR und die Frankfurter Allgemeine Zeitung arbeitet, ordnete die Entwicklungen in der Ukraine ein und erklärte die politischen Strukturen in dem Land, die vor allem vom starken Einfluss verschiedener Oligarchen geprägt sind. Um die aktuelle politische Lage in der Ukraine und speziell um den Krieg im Donbass ging es auch bei einem weiteren Vortrag an diesem Tag. Der Politikwissenschaftler und Fachlektor des DAAD, Dr. André Härtel, erklärte an der Kiewer Mohyla-Akademie die derzeitige Lage und die Chancen auf eine Lösung des Konfliktes zwischen der Ukraine und Russland. Lennart Banholzer Ein Programmpunkt am vorletzten Tag in Kiew sorgte bei einigen Teilnehmern für Stirnrunzeln – der Besuch einer Müllsortierungsanlage. Was sollen wir da denn? Genau das zeigte sich vor Ort jedoch schnell, denn die Aktivisten der No Waste Recycling Station machen etwas in der Ukraine bisher Einmaliges: Sie versuchen mit großem Engagement Müll zu Geld zu machen. Die Sortierungsanlage gibt es seit gut einem Jahr und wird ehrenamtlich betrieben.
Wie unsere Gastgeberin und Aktivistin Olga erklärte, war Mülltrennung in der Ukraine bisher kein Thema. Die No Waste Recyling Station ist der erste und bisher einzige Ort in dem Land, an dem professionell Müll getrennt wird. Wer möchte, kann seinen Müll dorthin bringen und selbst trennen. In einer Lagerhalle sind dazu mehrere Tische aufgebaut, an denen die Besucher ihren Müll in die einzelnen Wertstoffe zerlegen können. Der Joghurtbecher verliert seinen Deckel, genau wie die Plastikflasche. Die Einzelteile kommen in speziell für die einzelnen Wertstoffe vorgesehenen Behälter, welche die ganze Halle einrahmen. Ein Ziel der Aktivisten ist es, ein Bewusstsein für den Umgang mit Müll zu schaffen und dafür zu werben, weniger Abfall zu erzeugen. Gleichzeitig geht es ihnen aber auch darum, dass der Müll nicht einfach verbrannt wird oder unter der Erde landet. Vieles lässt sich recyclen – und damit lässt sich Geld verdienen. Olga erklärt, welche Wertstoffe wohin exportiert werden. Einiges wird beispielsweise in China zu Autoreifen weiterverarbeitet. Olga hofft, dass ihre Anlage anderen als Vorbild dienen wird, ebenfalls ihren Müll zu trennen. Lennart Banholzer Nachdem Pizza Veterano eine ausgehungerte Sommerschulengruppe nur sehr mühselig satt machen konnte, wurde es recht hektisch um noch unsere gebuchte Bootsfahrt auf dem Dnepr zu erreichen. Auf die Minute genau kamen wir am Pier an. Als wir das Schiff betraten, verbreitete sich aber direkt eine relaxte und ausgelassene Atmosphäre. Alle waren begeistert von diesem besonderen Programmpunkt. Jeder konnte die Zeit für sich nutzen und sich einen gemütlichen Platz auf dem Boot suchen, bei Musik die Aussicht genießen, den Gedanken nachhängen, Abschied von der Stadt nehmen und den fast letzten Nachmittag mit Freunden genießen. Basti sponserte eine große Runde Süßkram und machte sich auf die Pirsch nach Fotomotiven. Über dem unglaublich breiten Dnepr hing ein wolkenverhangener Himmel. Die spektakulären Ausblicke auf die Mutter-Heimat-Statue, das Höhlenkloster, viele goldene Kuppeln und andere besondere Plätze wie Strände, Bars und die weiten Uferauen waren in milchiges Licht getaucht. Am Ende unserer 2-stündigen Schifffahrt war die Gruppe entspannt, noch einmal neu von dieser faszinierenden Stadt begeistert und konnte in einen spannenden Samstagabend in Kiew starten.
Anna Gunzelmann Am letzten Tag unserer Sommerschule trafen wir uns in einem Raum in einem Café. Es war an der Zeit, unsere Reise zu reflektieren. Am Anfang saßen wir im Kreis und sprachen etwas über den vorherigen Tag. Dann hatten wir eine interessante Aufgabe, welche sich an der sogenannten „Kulturzwiebel“ orientierte. Sie baut auf einem Modell auf, in dem eine Kultur mehrere Schichten hat, welche sich vereinfacht so auffächern lassen: Symbole, Helden, Traditionen, Werte. Unsere Aufgabe war es, in Gruppen zu überlegen, was uns für diese Kategorien in der Ukraine aufgefallen ist und was wir wie einordnen würden. Die Ergebnisse hielten wir auf Plakaten fest. Es war interessant die Ergebnisse zu vergleichen, aber zugleich oft schwer, Erlebtes in die „richtige“ Kategorie einzuordnen. Denn natürlich sind die Grenzen nicht fest, sondern greifen teilweise ineinander über. Besonders für die Ukrainer war es sicher etwas lustig, was die Anderen als die Werte ihres Landes wahrgenommen hatten. Danach hatte jeder Teilnehmer noch einmal die Möglichkeit zu Wort zu kommen und zu sagen, was die Ukraine für ihn bedeutet, oder auch wie sie während der Reise wahrgenommen wurde. Nach dieser Runde wurde es, wie es sich für den Abschiedstag gehört, endlich emotional! Am ersten Tag der Sommerschule sollten wir uns zur Begrüßung alle gegenseitig die Hand geben oder uns umarmen mit dem Satz: „Schön, dass du da bist!“. Am ersten Tag war das für mich und vielleicht auch für ein paar Andere noch gewöhnungsbedürftig. Aber nach 16 Tagen zusammen mit Cédric, war das eine normale Sache. Nun, also am letzten Tag, machten wir genau das Gleiche, nur diesmal mit dem Satz: „Schön, dass du mit dabei warst!“. Bei dieser Gelegenheit rollten die ersten Tränen. Zum Ende des Vormittags, hatte Cédric noch etwas Besonderes für uns vorbereitet. Während der Sommerschule, bekam jede Person, welche uns einen Vortrag gehalten hatte, oder das Programm gestaltet hatte, eine Tasse mit dem Logo unseres Projektes. Und tatsächlich gab es auch noch für jeden von uns eine solche Tasse. Allerdings musste zuvor jeder sagen, mit was er seine Tasse füllt. Meine Tasse habe ich gefüllt mit vielen besonderen Momenten und neuen Bekannten, welche ich gerne wieder treffen würde und mit denen ich viel lachen durfte. Der Abschiedsabend Den Nachmittag hatten wir frei und es war Zeit um noch Souvenirs zu besorgen. Am Abend trafen wir uns wieder in einem stimmungsvollen, typisch ukrainischen Restaurant „Katjuscha“. Dort war ein schöner Raum für uns reserviert. Für mich war es sehr besonders, in dieser großen, vollen Stadt Kiew, einen so gemütlichen Raum nur für unsere Gruppe zu haben. Das war sehr schön für den letzten Abend. Es wurde sehr viel gegessen und auch ein wenig getrunken. Die Kirsch-Vareniki mit Vanillesoße und der Honigschnaps waren sehr schmackhaft. Es wurde ein letztes „Spiel“ gespielt. Cédric hielt mehrere kurze Seile in der Hand und wir sollten uns alle darunter stellen. Nun sollte sich jeder ein Seilende fassen und hatte dadurch zufällig einen Partner. Die Paare durften nun untereinander ihre Wichtelgeschenke austauschen. Das war lustig, denn die Geschenke sollten wir aus unserer Heimat mitbringen und so kam es, dass mein Wichtel-Partner Pfeffi und Knusperflocken von mir geschenkt bekam. Ich denke es hat ihn sehr gefreut so ein besonderes Geschenk aus der Ukraine mit nach Deutschland zu bringen. Cédric nahm sich Zeit jeden von uns zu fragen, was unser persönlicher Lieblingstag, und unser schlechtester Tag der Reise war. Zusammen ließen wir einige Momente Revue passieren und konnten sehr viel lachen. Später am Abend wurden den Teilnehmern die Teilnahmebestätigung ausgehändigt. Dieser Moment wurde etwas feierlich gestaltet und jeder kam einzeln nach vorn und Cédric sagte ein paar Worte. Als besonderes Geschenk dazu, bekam jeder von uns eine Zeitschrift mit interessanten Artikeln über die Ukraine. Der Stifter dieser Zeitschriften war Tim B. Peters von der Konrad-Adenauer-Stiftung. Nach dem offiziellen Teil des Abends, wurden viele Toasts gesprochen und weil es so schön war, flossen doch ein paar Tränen. Auch mussten leider schon die Ersten gehen, weil sie bereits in der Nacht abreisten. Wir saßen noch sehr lange zusammen und feierten in Kristinas Geburtstag hinein. Es war schwer sich von allen zu verabschieden, die gingen. So endete der letzte wunderschöne, lustige Abend unserer Sommerschule. Das Schönste aber an diesem Abend war für mich, dass wirklich jeder Einzelne so froh war mitgefahren zu sein, und dass wir alle so viel aus dieser Sommerschule mitgenommen haben. Ich bin sehr dankbar, die Möglichkeit zur Teilnahme bekommen zu haben. Valentina Lermer Copyright Fotos Cédric Reichel |